Am Mittwoch, 6. November 2024, steht das UNESCO-Welterbe Bremer Rathaus wieder ganz im Zeichen des Gedenkens: Die "Nacht der Jugend" erinnert an die Novemberpogrome des Jahres 1938. Zwei Ehrengäste machen das Geschehen und seine Folgen dabei in Zeitzeugen-Gesprächen greifbar: Dr. Eva Umlauf, der als Zweijähriger ihre KZ-Nummer in den Unterarm tätowiert wurde. Und der Bremer Friedrich Buhlrich, der als 21-Jähriger erfuhr, dass die Nationalsozialisten seine drei Halbgeschwister ermordet hatten.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Die 'Nacht der Jugend' ist eine ganz wichtige jährliche Aktion. Gerade jetzt. Gerade, wenn rechtsextreme Parolen und Positionen wieder auf dem Vormarsch sind. Dabei ist so klar: Rechtsextremes Reden und Handeln, Hass und Hetze, menschenverachtende Ideologien, aber auch Gleichgültigkeit führen unvermeidlich in die Katastrophe, denn sie bauen auf einem Menschenbild auf, das kein respektvolles Miteinander hervorbringen kann."
Das diesjährige Motto der "Nacht der Jugend" lautet "Respekt:Voll". Es wurde bei einer Online-Abstimmung aus mehreren Vorschlägen des Organisationsteams der "Nacht der Jugend" ausgewählt. Denn Respekt sei zentral für ein friedliches Zusammenleben in einer Demokratie. Respekt bedeute Achtung gegenüber einer Person, Meinung oder Lebensweise ohne unbedingt die entsprechende Ansicht zu übernehmen. Fehlender Respekt und fehlende Toleranz haben im Nationalsozialismus zu unermesslichen Verbrechen und unsäglichem Leid besonders für Jüdinnen und Juden geführt.
Das Organisationsteam besteht im Wesentlichen aus ehrenamtlich arbeitenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ein Jahr lang an der Vorbereitung der nächsten Nacht der Jugend arbeiten, Kontakt zu Schulen und Verbänden halten und letztlich auch die Entscheidung über die Einladung der Ehrengäste treffen. Das sind in diesem Jahr Dr. Eva Umlauf und Friedrich Buhlrich.
Eva Umlauf wurde 1942 in einem Arbeitslager für Juden in der Slowakischen Republik geboren. Knapp zweijährig wurden ihre Mutter und sie nach Auschwitz deportiert, wo ihr die KZ-Nummer eintätowiert wurde. Dort kam sie auf die Krankenstation des gefürchteten SS-Arztes Josef Mengele. Ihre Mutter, ihre Schwester und sie sind die einzigen Überlebenden ihrer Familie; ihr Vater und alle weiteren Verwandten wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Eva Umlauf studierte später Medizin und zog mit ihrem Mann nach München, wo sie als Kinderärztin und Psychotherapeutin arbeitete. Im März 2016 brachte sie ihre Erinnerungen in dem Buch "Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie Deine Augen" zu Papier. Im vorigen Jahr sprach sie auch bei den Feierlichkeiten anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz. Ihr Besuch wird von der Bremer Regionalgruppe der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste unterstützt.
Friedrich Buhlrich ist in Bremen bekannt, denn er arbeitet schon lange an der Aufarbeitung eines Bremer Themas. Der 1946 Geborene wurde von einer Gröpelinger Familie adoptiert. Erst Ende der 1960 Jahre erfährt er, dass er drei Halbgeschwister hatte, die den Nationalsozialismus nicht überlebt hatten. Nachdem er begonnen hatte, ihre Geschichte zu recherchieren, wurde klar: Alle drei waren den Medizinversuchen zur "Kindereuthanasie" zum Opfer gefallen. Seither erforscht er die Geschichte der Nervenklink Bremen, aus der das Klinikum Bremen-Ost hervorging. Als Teil der "Nacht der Jugend" wird in diesem Jahr auch an den 85. Jahrestages des sogenannten "Euthanasie-Erlasses" der Nazis erinnert. Als dessen Folge wurden fast 1.000 Bremerinnen und Bremer Opfer menschenverachtender Psychiatrie- und Gesundheitspolitik; die meisten überlebten dies nicht.
Teile des Programms der diesjährigen "Nacht der Jugend":
Daneben gibt es etliche Infostände verschiedener Organisationen, Tanzvorführungen, Präsentationen, viel Musik. Die Teilnahme ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist für Besucherinnen und Besucher nicht erforderlich. Jacken und Taschen müssen an der Garderobe abgegeben werden. Verbotene Kennzeichen und Symbole sowie Nationalflaggen dürfen nicht mitgebracht werden. Der Einlass beginnt um 17.15 Uhr.
1998 fand im Rathaus die erste "Nacht der Jugend" zur Erinnerung an die Pogromnacht am 9. November 1938 und die danach folgenden Novemberpogrome statt. Sie will auf eine Weise, die junge Leute anspricht, die Erinnerung an begangenes Unrecht wachhalten und Anstöße geben für eine menschenfreundliche Gesellschaft. Hier begegnen sich Jung und Alt, Fremde und Einheimische, Arm und Reich.
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