Die Zeit des Bremer Rathauses unter Bürgermeistern der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei) ist in der historischen Aufarbeitung bisher weitestgehend ein weißer Fleck. Die Vorstellung des Buches "Johann Heinrich Böhmcker – Vom SA-Mann der ersten Stunde zum NS-Bürgermeister von Bremen" leistet einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung eines dunklen Kapitels bremischer Geschichte. Präsentiert wurde das umfangreiche Werk am 19. Oktober 2021 im Senatssaal. Verfasst wurde es nach jahrelanger Recherche von der ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten Dr. Elke Steinhöfel. Einige Abschnitte stammen von ihrem Co-Autoren, dem Historiker Matthias Loeber. Der Ort der Vorstellung ist dabei keine Zufälligkeit: Es war Böhmcker, der den Senatssaal zwei Jahre nach seiner Berufung zum Bremer Bürgermeister in sein Amtszimmer umbauen ließ, weil ihm das angestammte Bürgermeister-Zimmer nicht reichte. "Vorbild bei der Ausstattung war das Arbeitszimmer von Adolf Hitler in der Berliner Reichskanzlei. Bis zu seinem Tod war dieser Raum seine Wirkungsstätte", berichtete die Autorin bei der Vorstellung ihres Buches. In diesem Senatssaal beging Böhmcker auch seine Hochzeit.
"Dieser Teil der Rathausgeschichte liegt weitgehend im Dunkeln. Wir wollen dieses Kapitel neu erzählen", sagt Bürgermeister Andreas Bovenschulte.
Sieben Jahre lang residierte Böhmcker im Rathaus. Von 1937 bis 1944 war er Bürgermeister. Er starb auf der Rückfahrt von einer Dienstreise nach Berlin vermutlich an einem Schlaganfall. Bereits früh (1925) hatte er sich den Nazis angeschlossen und war in seiner schleswig-holsteinischen Heimat bei SA und NSDAP aktiv. Loeber, der sich mit diesem Teil von Böhmckers Biografie befasst hat, sagt dazu: "Seit seinen Eutiner Jahren war er in der SA aktiv, hatte sie dort aufgebaut und sich durch brutales Auftreten einen Namen gemacht." Während der Pogromnacht im November 1938 war Böhmcker bereits Bürgermeister, aber eben auch führender SA-Kommandant. Loeber: "Während Heinrich Böhmcker in der Nacht des 9. November in München auf einer Gedenkfeier weilte, gab er seine Instruktionen an seinen Stabschef Römpagel telefonisch weiter. Dieser befahl den SA-Standarten seiner Gruppe die Zerstörung von jüdischen Gebäuden und formulierte das Maß der Gewaltanwendung vage." Die Brutalität in Bremen fiel reichsweit auf, so der Historiker: "Mit Röver und Böhmcker als Spitzenpolitikern der Region und als führenden SA-Männern kann der Nordwesten als Hochburg der Sturmabteilung bezeichnet werden."
Bereits in Schleswig-Holstein traf Böhmcker auf Carl Röver, der 1928 zum NSDAP-Gauleiter Weser-Ems und 1933 direkt zum Reichsstatthalter aufstieg. Steinhöfel: "Entscheidend für Böhmckers Karriere sollte die enge Kooperation und die geistig politische Übereinstimmung mit Carl Röver sein. Der im Freistaat Oldenburg aktive Röver war bei Adolf Hitler als so genannter 'Alter Kämpfer' hoch angesehen. Beide, Böhmcker und Röver waren als NS- und SA-Führer brutal, wenig intellektuell, vermochten jedoch mit polemischen Reden gegen Weimar und derben Witzen erfolgreich auf Stimmenfang für die NSDAP zu gehen." Dieser Röver war es, der Adolf Hitler 1937 vorschlug, Heinrich Böhmcker als Bürgermeister von Bremen einzusetzen.
Und auch als Bürgermeister verstand er sich primär als Parteifunktionär und Anführer der Schlägertruppen der SA. Noch vor seiner endgültigen Inthronisierung sagte Böhmcker im Juni 1937 in einer Rede: "Die Bedeutung eines SA-Gruppenführers ist zehnmal so groß wie die eines Regierenden Bürgermeisters." Sein Ziel sei es denn auch, Bremen zu einer "SA-Stadt" zu machen.
"Böhmcker war in jeder Hinsicht eine Zumutung für Bremen"
Elke Steinhöfel: "Böhmcker war ein überzeugter Nationalsozialist, Antisemit und Rassist, ein Produkt des NS-Systems, der seinen Aufstieg zum Bürgermeister aufgrund massiver Protektion geschafft hat und die Vorteile des Amtes für sich zu nutzen wusste. Für Bremen war Böhmcker in jeder Hinsicht eine politische und personelle Zumutung."
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Elke Steinhöfel: Heinrich Böhmcker. Vom SA-Mann der ersten Stunde zum NS-Bürgermeister von Bremen. Eine biografische Studie.
Hardcover, 524 Seiten, 24,90 €. Edition Falkenberg