Die Handelsstadt Bremen litt Jahrhunderte hindurch darunter, dass die Weser immer stärker versandete und deshalb größere Schiffe nicht mehr bis in ihre Grenzen gelangen konnten. Deshalb war 1618 in Vegesack stromabwärts ein künstliches Hafenbecken angelegt worden, was aber das Problem nicht dauerhaft löste. Mehr als 200 Jahre später kam es mit der Gründung Bremerhavens an der Wesermündung 1827 zur Umsetzung einer radikalen Lösung zur Schaffung eines seeschifftiefen Hafens für den bremischen Güterumschlag. 1830 wurde die Schleuse zum fertigen Hafenbecken in Betrieb genommen und konnte das erste Seeschiff in Bremerhaven festmachen.
Mit den Jahren entwickelte sich das enorm aufwendige und maßgeblich von Bürgermeister Johann Smidt vorangetriebene Projekt zu einem großen Erfolg – und der sollte bei der Ausstattung des Neuen Rathauses mit einem Bildnis gewürdigt werden. Finanziert wurde das Ölgemälde von Bürgermeister Carl Georg Barkhausen (1848–1917). Den Auftrag erhielt Hermann Sandkuhl, ein aufstrebender Berliner Künstler mit Wurzeln in der Hansestadt.
Dort war er 1872 als Kind eines Schiffsmaklers zur Welt gekommen und bis zum Umzug der Familie nach Berlin in der Mathildenstraße aufgewachsen. In der Hauptstadt absolvierte er eine Lehre als Dekorationsmaler ("Stubenmaler") und machte sich im Laufe seiner Ausbildung an der Akademie der Künste in Berlin und dann in Stuttgart, Paris und Dresden einen guten
Namen als Kunstmaler. Sandkuhl, der im Laufe der Zeit das zweite "n" seines Vornamens fallenließ, wurde 1923 Professor
an den Berliner Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst und verstarb 1936.
Für seinen Auftrag des Bremerhavener Bildes konnte Sandkuhl 1912 nicht nach eigener Ansicht der Szene vor Ort arbeiten, denn zu seiner Zeit war Bremerhaven bereits stark industrialisiert und längst um ein Vielfaches an Hafenbecken, Schleusen, Wohn- und Industriebauten angewachsen. Um an die Anfänge Bremerhavens ("wie es sich im Jahre 1842 darstellte") zu erinnern, musste der Maler somit kreativ nach Vorlagen arbeiten.
Sandkuhl zeigt in seinem das Festtreppenhaus beherrschenden Ölbild von 2,85 mal 3,23 Metern den Blick von der Südseite der Schleuse aus den Hafen entlang. Am linken Bildrand ist das "Fort Wilhelm" zu sehen. Die Verteidigungsanlage gehörte zum Königreich Hannover, das sich beim Verkauf des Gebietes von Bremerhaven an Bremen die Hoheit über den schmalen Küstenstreifen zunächst vorbehalten hatte. In der Mitte das mit Schiffen dicht belegte Hafenbecken und rechts die
Straße "Am Hafen".
Am zweiten Podest der Treppe zur oberen Wandelhalle blickt uns zwar nicht unfreundlich, aber doch sehr konzentriert ein Mann entgegen. Es ist Liborius Diedrich Post, der wegen der sich nähernden Schritte einen Moment lang seine Schreibarbeit zu unterbrechen scheint. Vielleicht beantwortet er gerade einen Brief, vielleicht kopiert er etwas.
Post kam 1737 in Bremen zur Welt, wurde in Duisburg zum Doktor der Rechte promoviert und übernahm 1763 von seinem älteren Bruder Simon Hermann das Amt des bremischen Archivars. Seit 1776 war er Ratsherr (Senator) und 1802 Bürgermeister seiner Heimatstadt. 1808 legte er sein Amt nieder und verstarb 1822.
Das Bild entstand 1912 und ist eine der vielen Kopien des Malers Bernhard Wiegandt, mit denen er zur Ausstattung des Neuen Rathauses beauftragt worden war. Seine Vorlage war ein 1788 von Jacob Fehrmann gemaltes Porträt des damals 51-jährigen Senators, das sich in Privatbesitz befindet.
Bürgermeister Wilhelm Kaisen gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der jüngeren bremischen Geschichte. Sein Name ist unlösbar mit der Zeit des Wiederaufbaus der im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Städte Bremen und Bremerhaven verbunden und ebenso mit der Wiederbegründung des Landes Bremen im Januar 1947. Von der amerikanischen Militärregierung an die Spitze der bremischen Administration gesetzt, hatte er vom 1. August 1945 an im Rathaus sämtliche Fäden des umfassenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Neu- anfangs zusammenzuhalten.
Carl Wilhelm Kaisen wurde am 22. Mai 1887 in Hamburg-Eppendorf geboren und wuchs im benachbarten Alsterdorf auf. Die siebenköpfige Familie lebte in einfachen Verhältnissen, der Vater war Maurer und später Fabrikarbeiter. Wilhelm erwies sich als begabter Schüler, doch auch wegen zu hoher Kosten zerschlug sich seine Idee, selbst Lehrer zu werden. Nach einer Zeit als Arbeiter in einer Seifenfabrik durchlief er 1905 bis 1907 eine Lehre als Stuckateur. Unterbrochen von seiner zweijährigen Militärzeit arbeitete er in diesem Beruf bis zum Ersten Weltkrieg, den er von Beginn an als Soldat in Frankreich erlebte. 1905 war Kaisen in die SPD eingetreten, erst als Schriftführer und von 1911 an als Distriktführer positiv aufgefallen und zur Parteischule nach Berlin geschickt worden. In seiner Klasse lernte er mit Helene Schweida eine engagierte und aufstrebende Bremer Sozialdemokratin und zugleich seine spätere Frau kennen. Die beiden heirateten 1916 während eines Fronturlaubs. Im November 1918 wurde Kaisen zum Soldatenrat seines Regiments gewählt und führte es zurück nach Hamburg. 1919 siedelte er nach Bremen über und arbeitete für zwei sozialdemokratische Zeitungen, zuletzt als Chefredakteur, bis er sich von 1925 an voll seiner Tätigkeit als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter widmete. 1928 übernahm Kaisen das schwierige Amt des Wohlfahrtssenators (Soziales), das er 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor. Vom NS-System als politischer Feind angesehen und ohne jede Chance auf weitere Anstellung, wagten Wilhelm und Helene Kaisen durch Erwerb einer Siedlerstelle in Borgfeld einen beruflichen Neuanfang. Obwohl sie keinerlei landwirtschaftliche Erfahrung besaßen, gelang es ihnen auf diese Weise, das Überleben für sich und ihre inzwischen vier Kinder zu sichern.
Vom ersten Tag als Bürgermeister an zeigte sich Kaisens großes Talent zu pragmatischem Handeln. Besonders für die Frühzeit werden ihm Schlagworte zugeordnet, die seine Politik im Wiederaufbau jedoch zutreffend beschreiben: "Erst der Hafen, dann die Stadt" bezog sich darauf, mit aller Energie die Hafenwirtschaft als Schwungkraft bremischer Wertschöpfung beim Aufbau zu priorisieren. "Koalition aus Arbeiterschaft und Kaufmannschaft" galt seiner politischen Maxime, alle Kräfte in der Stadt zu politisch zu bündeln, und seiner in der Bremer SPD nicht unumstrittenen Praxis, trotz eigener absoluter Mehrheit Vertreter von CDU und FDP in den Senat zu integrieren. Wegen seiner persönlich bescheidenen Lebensweise und seiner offenen, gradlinigen Art wurde Kaisens unorthodoxe, mitunter autokratische Amtsführung insgesamt toleriert. Kaisen blieb glaubhaft, wenn er öffentlich schlicht und einfach ankündigte, dass er als Präsident des Senats garantiere, dem "Wohl der Gesamtheit" zu dienen und danach suche "das Beste, das allgemeine Beste, herauszufinden".
Kaisen engagierte sich auch sehr für die deutsche Politik und deren schwieriger Gestaltung unter der Hoheit der Alliierten Besatzungsmächte. Für Februar und Oktober 1946 lud er die Spitzen der provisorischen deutschen Verwaltungen (erfolglos auch die der sowjetisch-besetzten) zu "Interzonenkonferenzen" in die Stadt, und nach Gründung der Bundesrepublik 1949 zählte Kaisens Stimme auch bei den süddeutschen Ministerpräsidenten. Nicht nur dem Land Bremen nutzte sein Einsatz für die schnelle Aufhebung der Schiffbaubeschränkungen in den westlichen Besatzungszonen.
1965 trat Kaisen hochgeehrt aus dem Senat aus und widmete sich wieder voll seinem Borgfelder Hof, auf dem seine Frau und er die Landwirtschaft nie aufgegeben hatten. Helene Kaisen, die ihrem Mann auch engste politische Vertraute war, verstarb am 6. September 1973. Ilse Kaisen, die älteste Tochter (1923–2013), widmete ihr Leben fortan ganz dem Haushalt und der Pflege ihres am 19. Dezember 1979 verstobenen Vaters. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Franz initiierte sie 1995 die Gründung der Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung, in die sie den Borgfelder Hof der Familie einbrachten. Die Stiftung richtete erst die Scheune und dann das Wohnhaus der Familie als Dokumentationsstätte und Museum zum Leben und Wirken der Kaisens her. Doch wer sich heute darin umschaut (Rethfeldsfleet 9, www.wilhelm-helene-kaisen-stiftung.de), erfährt viel mehr als nur eine Würdigung beeindruckender Lebensleistungen – wissenschaftlich akkurat und mit liebevollem Anspruch bis ins Detail gleichermaßen aufbereitet, wird dort generationsübergreifende deutsche und bremische Geschichte vom Kaiserreich bis heute modern und anschaulich präsentiert.
Siehe auch:
Wandelhalle
Dies älteste im Rathaus erhaltene Tafelbild zeigt das "Ostersche Haus". Es stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das 3,5 mal 3,1 Meter große Bild zeigt die mächtige Anlage im Norden Antwerpens mit der von zahlreichen Schiffen befahrenen Schelde im Hintergrund. Vor dem Haus lassen eine herrschaftliche Karosse mit livriertem Kutscher und vier steigenden Schimmeln davor zunächst an die Welt des Adels denken. Doch tatsächlich ist das Gebäude ein Haus für Kaufleute. Woher die maßgeblichen Betreiber der großen Anlage stammen, verrät schon ihr Name – sie kommen aus dem Osten und werden deshalb "Ostersche" oder "Osterlinge" genannt und ihr Haus entsprechend "Ostersches Haus" (niederländisch: Oosters Huis oder Oostelingenhuis). Mit den "Ostleuten" gemeint sind Angehörige der Hanse, weshalb das Haus auch als "Hanzehuis" und "Maison Hanséatique" bezeichnet wird. Doch die Namen sind älter als das Gebäude.
Bereits seit 1442 hatte die Hanse ein "Haus der Osterlinge" in der Stadt Brügge, ihren Sitz von dort aber im 16. Jahrhundert wegen der besseren Schiffbarkeit der Schelde nach Antwerpen verlegt. In der 1569 ganz fertig gestellten, 80 mal 62 Meter großen Anlage mit 55 Meter hohem Turm war Platz für Waren, Wohnungen und für das Kontorsektretariat. Vermutlich entstand dieses einzigartige Bild, von dem lediglich bekannt ist, dass es schon 1730 im Bremer Rathaus hing, nicht lange nach dem Bezug des weitläufigen Komplexes. Aber die große Investition der Hansestädte war kein Erfolg, denn schon wenige Jahre später wurde das Hansehaus im Rahmen des spanischniederländischen Krieges 1576 geplündert. Schon vorher war es kaum zu Handelszwecken genutzt worden, sondern hatte vielfach als Kaserne und Militärmagazin gedient. Doch zu dieser Zeit fiel Antwerpen in seiner wirtschaftlichen Bedeutung ohnehin schlagartig hinter das aufstrebende Amsterdam zurück. Von 1621 an diente der große Komplex als Krankenhaus, später als Getreidespeicher und wurde 1863 von Lübeck, Bremen und Hamburg als den drei Sachwalterinnen des Hanseerbes verkauft. 1893 brannte das Ostersche Haus aus und wurde abgerissen.
2006 bis 2011 errichtete die Stadt Antwerpen an dieser besonderen Stelle ihres alten Hafenquartiers den beeindruckenden Bau für ihr "MAS", das "Museum aan de Stroom" (= Museum am Fluss). Auf jeder Etage des 60 Meter hohen Gebäudes gibt es Antwerpener Geschichte(n) zu den historischen und aktuellen Verbindungen der Stadt in die ganze Welt zu erleben.
Kaum ist das Neue Rathaus betreten, versetzt dies Bild seine Betrachter:innen zurück auf den Domshof und in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Aus östlicher Richtung gesehen zeigt es den Blick auf den Vorgängerbau des Neuen Rathauses, das 1819 fertiggestellte "Stadthaus". Zuvor hatte an der Stelle des klassizistischen Baus das im 14. Jahrhundert als bischöfliche Residenz errichtete "Palatium" gestanden. Für den Bau des Neuen Rathauses wurde das Stadthaus 1909 abgerissen.
Das Ölgemälde stammt von Bernhard Wiegandt (1851–1918) aus dem Jahr 1913. Der Maler unterrichtete auch und war erster Lehrer der aus Bremen stammenden Worpsweder Malerin Paula Modersohn-Becker. Für sein Bild am unteren Podest des Treppenaufgangs zur oberen Wandelhalle kopierte er einen Stahlstich mit dem Titel "Das Stadthaus am Domshof in Bremen". Dessen Vorlage wiederum war eine Zeichnung von Julius Gottheil, der in den 1850er Jahren mehrere Bremer Ansichten anfertigte. Ein ebenso treffendes wie schönes Detail ist ganz links im Bild zu sehen: Es ist der vollbeladene Heuwagen direkt am Dom und erklärt damit den historischen Namen des Platzes "Grasmarkt".
Das 1669 vom Bremer Rat (= Senat) in Auftrag gegebene Ölgemälde zeigt einen Zwergwal in der Originalgröße des dargestellten Exemplars. Frantz Wulfhagen malte das Tier und Arend Landwehr die goldenen Buchstaben des Erläuterungstextes darunter.
Anlass des Auftrags war die Sensation, dass sich am 8. Mai des Jahres ein Wal dieser Größe die Weser hinauf und in die Lesum hinein verirrt hatte. Das Bild zeigt ihn am linken Ufer und damit auf der bremischen Seite liegend. Das von Bremer Seite beschossene Tier war wohl zunächst am rechten, unter schwedischer Verwaltung stehenden Ufer der Lesum gestrandet. Es soll sich dann aber noch einmal von dort losgeworfen haben, bevor es endgültig am linken Ufer erlegt wurde. Die schwedische Regierung in Stade forderte zumindest die Übergabe des Skeletts, aber am Ende behielten die Bremer beides: das wertvolle, zu Tran und damit zu Lampenöl verkochbare Walfett und die Knochen als besondere naturkundliche Rarität.
Siehe auch:
Hinter der an Land gebrachten Trophäe im Vordergrund stellte Wolers rechts im Bild mit dunklen Wolken und aufgewühltem Meer die bedrohliche Macht der Natur dar. Warmes Sonnenlicht lässt er dagegen auf die links im Hintergrund zu sehende Stadtsilhouette fallen und deutet so den gelungenen Fang als von Menschenhand errungenen Sieg gegen die wilde und gefährliche Gewalt der See.
Dem Text unter dem Bild folgend, war das Tier insgesamt 17,5 Fuß lang, was etwa fünf Metern entspricht, und wer einen Größenvergleich sucht, wende sich links zur Meybach-Uhr, die misst exakt 4,99 Meter Höhe.
1965 war das 3,70 mal 2,43 Meter große und fast 80 Kilogramm schwere Bild zusammen mit dem etwa zehn Meter messenden Zwergwal-Gemälde abgehängt worden und ins Überseemuseum gelangt. Nach einer aufwendigen Restaurierung hängt "Der Schwertfisch" seit 2012 wieder nahe seinem alten Platz an der Nordwand der Oberen Halle.">Gemälde "Der Schwertfisch"
Die "Bremen" am 12. April 1928 über dem offenen Meer auf dem Weg von Europa nach Nordamerika. Während Charles Lindbergh bei seinem Alleinflug im Jahr zuvor mit dem Wind von West nach Ost fliegen konnte, mussten die Piloten in ihrer Junkers W 33 in der Gegenrichtung teilweise extrem schlechtes Wetter und technische Schwierigkeiten über-winden. Alexander Kircher hat mit einer drohend dunklen Wand aus Wolken und Regen vor dem Flugzeug die Gefahren der Unternehmung dargestellt, doch hinter ihr deutet helles Licht den späteren Erfolg an.
Das Gemälde des vielbeschäftigten Berliner Marine- und Landschaftsmalers Alexander Kircher (1867–1939) gelangte 1932 durch Schenkung ins Bremer Rathaus. Für den Ankauf des ohne Rahmen 116 x 197 cm großen Bildes war vom Bremer Kaufmann Paul Barckhan eine Sammlung veranstaltet worden. Dass Bremer Privatleute sich für ein Geschenk zur Ausstattung des Rathauses zusammentun, ist an sich nichts besonderes, aber der Anlass war mit dem dargestellten Flug der Junkers W 33 "Bremen" eine gefeierte Weltsensation: Die erste Überquerung des Atlantiks per Flugzeug in ost-westlicher Richtung.
Die Maschine war am 12. April 1928 in Irland gestartet und nach 36-stündigem Flug auf der Insel Greenly Island im kanadischen Sankt-Lorenz-Golf gelandet. Zur dreiköpfigen Besatzung gehörten die Piloten Hermann Köhl und James C. Fitzmaurice und der Werbeleiter des Norddeutschen Lloyds, Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld.
Die Vorgeschichte des Erfolges hatte im Mai 1927 im Nachklang von Charles Lindberghs erstem Alleinflug über den Atlantik in West-Ost-Richtung Wandelhalle begonnen: Beeindruckt von der enormen weltweiten Begeisterung, die Lindbergh ausgelöst hatte, wollte von Hünefeld im August des Jahres mit zwei Flugzeugen die schwierigere Gegenrichtung bewältigen und auf diese Weise zugleich für die beiden geplanten Großschiffbauten seiner Reederei werben. Die bereits auf Kiel gelegten NDL-Ozeanriesen für den Transatlantikverkehr sollten "Bremen" und "Europa" heißen – und so wurden auch die beiden Flugzeuge benannt. Doch der zu großen Teilen von der Reederei finanzierte Rekordversuch scheiterte im August 1927: Die "Bremen" (D-1167) musste wegen schlechten Wetters umkehren, und die "Europa" (D-1197) entging nach einem Motorschaden und anschließender Bruchlandung mit noch vollen Treibstofftanks auf dem Bremer Flughafen nur knapp der Katastrophe. Es waren damals nicht die einzigen europäischen Fehlversuche, und die Begeisterung für das Projekt ging auch in Bremen zurück. Von Hünefeld hatte Mühen, den erneuten und dann erfolgreichen Pionierflug zu organisieren, diesmal aber nicht mehr mit zwei Maschinen, sondern nur noch mit der "Bremen", die dann die Rekordstrecke meisterte.
Schon bei ihrer Ankunft in New York und noch Wochen später in weiteren Städten der USA wurden die drei "Ozeanflieger" begeistert mit Konfettiparaden gefeiert. Auf ihrer Rückreise an Bord des NDL-Liners "Columbus" kamen Tausende am 18. Juni zur Bremerhavener Kaiserschleuse um die Rückkehrer zu begrüßen. Am nächsten Tag ging die Fahrt in einem offenen Achtzylinder des Bremer Autoherstellers "Hansa Lloyd" durch die von Schaulustigen breit gesäumten Bremer Straßen der Innenstadt bis zum Marktplatz. Überall standen die Menschen dicht gedrängt und bejubelten die drei Männer auf ihrem Weg zum Senatsempfang in der Oberen Halle des Alten Rathauses.
Die Obere Halle des Alten Rathauses von 1405 ist ein Ort voller Sehenswürdigkeiten: vier prächtige Schiffsmodelle hängen an der Holzdecke, "segeln" über die Köpfe der Besucherinnen und Besucher. Die im Jahr 1605 eingebaute Güldenkammer gilt als "schönster Schmuck" des Rathauses. An der Nordwand der Oberen Halle erzählen großformatige Fresken und beeindruckende Gemälde Geschichte. Eines dieser Werke zeigt das "Ostersche Haus", das Hansekontor in Antwerpen. Das Ölgemälde wurde jetzt von der Wand heruntergenommen und wird in den kommenden Wochen einer umfangreichen und behutsamen Reinigung und Restaurierung unterzogen. Durchgeführt werden die Arbeiten vom Atelier Aika Schnacke | Art handled with care.
Das älteste im Rathaus erhaltene Tafelbild stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und ist ein beeindruckender Bezug Bremens zum Kaufmanns- und Städtebund der Hanse. Das 3,50 mal 3,10 Meter große Bild zeigt die mächtige Anlage im Norden Antwerpens mit der von zahlreichen Schiffen befahrenen Schelde im Hintergrund. Vor dem Haus lassen eine herrschaftliche Karosse mit livriertem Kutscher und vier steigenden Schimmeln davor zunächst an die Welt des Adels denken. Doch tatsächlich ist das Gebäude ein Haus für Kaufleute. Woher die maßgeblichen Betreiber der großen Anlage stammen, verrät schon ihr Name – sie kommen aus dem Osten und werden deshalb "Ostersche" oder "Osterlinge" genannt und ihr Haus entsprechend "Ostersches Haus" (niederländisch: Oosters Huis oder Oostelingenhuis). Mit den "Ostleuten" gemeint sind Angehörige der Hanse, weshalb das Haus auch als "Hanzehuis" und "Maison Hanséatique" bezeichnet wurde.
Die Sage von der Bremer Gluckhenne ist die berühmteste Bremer Volkssage und gilt als die Gründungslegende der Hansestadt. Demnach sahen arme Fischer auf der Suche nach einer Bleibe eine Henne, die für sich und ihren Nachwuchs vor einem Sturm Unterschlupf in einer Düne suchte. Dort ließen sich auch die Fischer nieder und bildeten damit die allererste Keimzelle des späteren Bremen.
Intim und vornehm, wie ein kleines Kabinett wirkt das Gobelinzimmer, das an den Kaminsaal angrenzt. Der Raum ist mit amerikanischem Weißholz hell und freundlich getäfelt - ein kleines, behagliches Besprechungs- und Beratungszimmer, in dem unter anderem das wöchentliche Senatsfrühstück stattfindet.
Die beiden Wandteppiche gehören zu einer Serie von acht großen Gobelins, die im frühen 17. Jahrhundert in Frankreich hergestellt wurden. Sie zeigen das Leben der Zeus-Tochter Artemis. Der Teppich, der im Gobelinzimmer verblieben ist, zeigt den Tod Otos, jenes sterblichen Jünglings aus der griechischen Mythologie, der in seinem Übermut Artemis begehrt und dafür mit dem Leben bezahlen muss.
In einer Ecke steht auf einem Sockel die Büste von Simon Bolivar, dem südamerikanischem Freiheitshelden. Ein wenig ungewöhnlich in einem Rathaus, in dem ansonsten nur Persönlichkeiten gewürdigt werden, die mit Bremen verbunden waren. Aufgestellt wurde die Büste als freundliche Geste anlässlich der 125-Jahrfeier der Unabhängigkeit Lateinamerikas.