Mit ihren mehr als 20.000 Beschäftigten und über 100 Schiffen beheimatete Bremen bis zum Ersten Weltkrieg (1914–18) eine der größten Schifffahrtsgesellschaften der Welt: den 1857 gegründeten Norddeutschen Lloyd.
Zur Ausgestaltung des Neuen Rathauses schenkte die Reederei der Stadt im Jahr 1912 diese Bronzeskulptur. Damit alle gleich sehen, von wem sie stammt, hatte der Bildhauer Fritz Behn mittig das Unternehmenssignet verarbeitet. An der gegenüberliegenden Stelle der Rückseite modellierte er einen Bremer Schlüssel.
Behns Werk heißt "Die Schiffahrt", aber es war zunächst auch der Titel "Die Weser" im Umlauf (und ebenso deren lateinische Bezeichnung "Visurgis"). Beide deutschen Namen sind weiblich wie die bis auf eine Perlenkette unbekleidete Figur auf dem Rücken des kräftigen Fischwesens. Dort sitzt sie ganz ruhig und bequem. Somit kann sie ungefährdet von den Wellen in die Ferne spähen und das Kunstwerk als Sinnbild für "sichere Schifffahrt" gelten. An den vier Ecken des Sockels hat der Künstler seine Vorstellungen von Meeres- und Windgöttern dargestellt.
Sowohl die "Weser-Zeitung" wie auch die "Bremer Nachrichten" berichteten Anfang 1913 zur NDL-Schenkung zwei Details aus der Vita des Künstlers, dass nämlich der in München lebende "Prof. Behn" eigentlich ein "Lübecker Kind" sei und außerdem "der Sohn eines Senators unserer Schwesterstadt".
Das kleine Bibliothekszimmer in der 2. Etage ist ein fast verborgener Schatz im schönen Bremer Rathaus, denn Führungen beschränken sich zumeist auf die erste Etage. Rudolf Alexander Schröder würde seine reine Freude an diesem Zimmer haben. Der Raum ist mit Möbeln ausgestattet, die der in Bremen geborene Architekt, Dichter und Designer einst für ein Bibliothekszimmer entwarf. Es sind schöne Vitrinen aus feinstem Kuba-Mahagoni, Regale und Schränke mit Schaukästen, die in den Jahren 1908 und 1909 von den Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in Bremen für einen Privatmann gefertigt wurden.
Auf dem Marktplatz und im Herzen von uns Bremern*innen nimmt das Rathaus einen besonderen Platz ein. Gar nicht hanseatisch bescheiden halten wir es für das schönste Rathaus Deutschlands. Und da sind wir nicht allein.
Die UNESCO hat das Bremer Rathaus gemeinsam mit dem Roland, unserer "Freiheitsstatue", als Weltkulturerbe anerkannt. In ganz Deutschland gibt es davon nur rund 40 Stück.
Treten Sie ein in die festliche Obere Rathaushalle, die damals wie heute für traditionsreiche Veranstaltungen, prominenten Besuch, Kultur und Politik genutzt wird. Lauschen Sie den Erklärungen Ihres*r Gästeführers*in und entdecken Sie kleine und feine Details in diesem wunderschön gestalteten Raum mit über 600 Jahren Geschichte.
Darin eingebettet liegt ein kleines Zimmer, das seinen Namen zurecht trägt: die Güldenkammer. Sie dürfen einen Blick hinein werfen und die wertvollen Verzierungen mit Ornamenten des Jugendstils bewundern.
Beim Gang in den eleganten Festsaal fragen Sie sich, ob es sich tatsächlich um einen Anbau aus dem 20. Jahrhundert handelt. Ein Beispiel gelungener Architektur.
Mehr Informationen zu den Gästeführungen finden Sie auf der Website der BTZ (Bremer Touristik Zentrale):
https://www.bremen-tourismus.de/bremen/offer/detail/DEU99999990039255330?lang=de
Der Festsaal ist der größte Raum des Neuen Rathauses, das von 1909 bis 1913 nach Plänen des Münchner Architekten Gabriel von Seidl entstand und sich sich harmonsich an das historische Rathaus anschmiegt.
Dunkles, glänzendes Eichenholz an den Wänden, die helle Kassettendecke in wirkungsvollem Kontrast dazu verleihen dem Raum eine besondere Note. Imposant wirkt der Jugendstilleuchter unter der Decke mit seinen von goldbronzenen Girlanden gehaltenen 90 Lampen. Das Original wurde im Zweiten Weltkrieg als Metallspende eingeschmolzen, 1990 wurde der Leuchter nach alten Fotos von der sächsischen Bronzewarenfabrik in Wurzen (bei Leipzig) nachgebildet.In den oberen vier Ecken des Raumes erinnern vier ovale Bilder an die Festungszeiten der alten Stadt: Sie verweisen auf die vier Stadttore Ansgaritor, Braut, Zwinger und Hohentor.
Siehe auch:
Kabinett zu Ehren Kaiser Wilhelm II
Überlebensgroß sind Kaiser Karl und Bremens erster Bischof Willehad an der Nordwand der Oberen Halle auf prunkvollen Sesseln sitzend dargestellt. Ihre Geste zeigt, dass sie einig zum Dom der Stadt halten. Das Motiv ist bereits im ältesten im Staatsarchiv erhaltenen Abdruck des Siegels der Stadt Bremen aus dem Jahr 1230 abgebildet. Der Rat wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Stadt einst von Karl und Willehad persönlich gegründet worden sei.
Als das Fresco im Jahr 1532 entstand, waren der Kaiser und der Bischof bereits länger tot als das Rathaus heute alt ist. Somit ist der großmaßstäblich gemalte Bezug auf ihre Persönlichkeiten als eine weitere bildlich dargestellte Versicherung zu deuten, dass Bremen seit jeher auf höchsten weltlichen und kirchlichen Schutz bauen konnte. Das ist die Kernaussage des 4,45 x 6,75 Meter messenden Bildfeldes, zu dem darunter noch 84 Zeilen goldene Frakturbuchstaben in gereimtem Mittelniederdeutsch gehören.
Auch die Stelle im westlichen Teil der Nordwand war für das Motiv nicht zufällig ausgewählt worden. Der Rat tagte und hielt Gericht an der östlichen, dem Dom zugewandten Seite der Oberen Halle. Und wenn sich Vertreter der Bürgerschaft oder zu anderen Gelegenheit auch weitere Gäste im Rathaus versammelten, war ihr Platz auf der Seite zur Liebfrauenkirche unter dem Fresco. Das große Bild konnte dort allen Zeitgenoss:innen den aus der bremischen Gründungszeit lebendig in die damalige Gegenwart übertragenen Anspruch städtischer Freiheit vermitteln und verstärken.
Die malerische Ausführung des Motivs zeigt zugleich, dass die Stadt ihrerseits Kaiser und Kirche Ehre erweist. Sie selbst stellt sich sehr zurückgenommen nur am unteren Bildrand dar, und zwar durch ihren von Löwen gehaltenen Schlüssel und die Wappen der damals amtierenden Bürgermeister Daniel von Büren der Ältere, Meiner von Borken, Martin von Heimburg und Dietrich Hoyer.
"Salomons Urteil" ist nicht zufällig an diese Stelle der Nordwand der Oberen Halle gemalt worden. In dem Bereich vor dem 6,48 mal 8,14 Meter großen Kunstwerk tagte in früheren Zeiten der Bremer Rat. Das Motiv sollte ihn zu gerechtem Urteil mahnen. Bis 1848/49 gab es in Bremen keine eigenständige öffentliche Gerichtsbarkeit. In allen innerbremischen Rechtsangelegenheiten und -streitigkeiten war der Rat der Stadt zugleich das oberste Justizgremium. Deshalb finden sich im Alten Rathaus viele Bezüge zu den Themen Regierung und Rechtsprechung. Sie sind als konkrete Erinnerungen zu sehen, stets um gute, also gerechte Urteile bemüht zu sein. In diesem Sinne wacht auch die prächtig geschnitzte Justitia über der Tür zur Güldenkammer. Doch während sie sich wie die in den Ölgemälden illustrierten "Richtertugenden" an der Außenwand der Güldenkammer auf das römische Recht und vielfach auf konkrete Bestandteile der Rechtsfindung beziehen, zitiert dies große Fresko aus dem Jahr 1532 ganz allgemein das bekannteste Gerechtigkeitsmotiv der jüdisch-christlichen Geschichte:
"Das Urteil des König Salomon" ("Salomonisches Urteil"). Diese im Alten Testament im Buch der Könige überlieferte Geschichte ist in ähnlicher Form auch in fernöstlichen Kulturen bekannt und wurde vom Künstler (vermutlich Bartholomäus Bruyn, 1493–1555) im Stil der Renaissance dargestellt. Mit dem Blick auf das Rathaus-Fresco lautet sie in Kurzform etwa so: Umgeben von Angehörigen seines Gefolges und zwei edlen Jagdhunden sitzt Salomon, Sohn von König David und weiser Herrscher über Israel, auf goldfarbenem Thron nahe dem von ihm erbauten Tempel. Dargestellt ist der Moment seines Urteilspruches im Streit der beiden Frauen im Mittelpunkt der Szene, von denen die eine kniet. Die andere steht neben ihr und hält ein Kind in den Händen. Beide wohnen im selben Haus und sind vor kurzem Mutter geworden – doch eines der Neugeborenen ist verstorben und liegt nun tot zwischen ihnen auf dem Fußboden. Vor Gericht klagen sich die Frauen nun gegenseitig an, den Leichnam nachts unbemerkt gegen das lebende Kind ausgetauscht zu haben. Salomon kann nicht ermitteln, welche Frau im Recht ist, und sagt zu seinem Scharfrichter, der mit linker Hand schon einen Arm des Kindes gegriffen hat und mit der rechten sein Schwert zieht, er solle es in zwei Hälften zerteilen, dann wäre zumindest keine der Frauen benachteiligt. Kaum willigt die eine Mutter ein, ruft die andere, sie ziehe ihre Klage zurück, wenn nur das Kind nicht sterben müsse. Auf diesen Moment hat der König gewartet und spricht der verzichtenden Frau das Kind zu – ihre Liebe hätte sie als die tatsächliche Mutter erwiesen und die andere als kaltherzige Lügnerin. Sein Urteilsspruch verstärkte die Legende von Salomon als großer Richter und weiser Regent.
Das auf das Jahr 1532 datierte Bild zählt zu den größten kunsthistorischen Kostbarkeiten Bremens. Erst als bei Restaurierungen im 20. Jahrhundert jüngere Übermalungen entfernt worden waren, wurden die heute gerühmten Qualitäten der Malerei wieder gewürdigt. Im Laufe der Jahrhunderte hatten immer wieder Fehlstellen ausgebessert werden müssen, und besonders die Umbauten und Erneuerungen des Daches Ende der 1590er und Ende der 1920er Jahre hatten zu Veränderungen und Übermalungen im oberen Bereich geführt. Ein prägnanter Beleg dafür ist die Moses-Abbildung in der ersten der sechs links und rechts das Bild flankierenden Figurendarstellungen und Texte: Nach Entfernung einer Schicht erschien der Teil eines älteren Kopfes, und so sind heute zwei halbe Köpfe des Propheten zu sehen.
Gabriel von Seidl (1848 – 1913), war ein deutscher Architekt und wurde 1900 durch Verleihung des Bayrischen Kronenordens in den Adelsstand erhoben (Ritter von Seidl). 1906 erhielt er den Auftrag einen Entwurf für den neuen Anbau an das alte Rathaus zu entwerfen. Es gelang ihm meisterhaft, den Neubau, der dreimal so groß werden sollte, behutsam in Einklang zu bringen mit dem bereits bestehenden Altbau.
Siehe auch:
Neues Rathaus
Am 18. Juli 1696 machten Bremer Fischer auf der Weser den außergewöhnlichen Fang eines großen Schwertfischs. Zwei Tage später brachten sie ihn nach Bremen, wo er viel Aufsehen erregt haben dürfte, denn ein solch großes Tier konnten die meisten nur aus Erzählungen kennen. Grund genug, dass der Rat (= Senat) den Maler Paul Wolers beauftragte, die naturkundliche Besonderheit in Öl festzuhalten.
Einen so großen Schwertfisch zu erlegen, hatte eine außerordentliche Leistung der Fischer erfordert. Sie konnten ihre Boote nur mit Wind- und Muskelkraft bewegen und waren für den Kampf mit einem solchen "Ungeheuer" der übermächtigen See vor allem auf ihren Mut und ihre Erfahrung angewiesen.
Hinter der an Land gebrachten Trophäe im Vordergrund stellte Wolers rechts im Bild mit dunklen Wolken und aufgewühltem Meer die bedrohliche Macht der Natur dar. Warmes Sonnenlicht lässt er dagegen auf die links im Hintergrund zu sehende Stadtsilhouette fallen und deutet so den gelungenen Fang als von Menschenhand errungenen Sieg gegen die wilde und gefährliche Gewalt der See.
Dem Text unter dem Bild folgend, war das Tier insgesamt 17,5 Fuß lang, was etwa fünf Metern entspricht, und wer einen Größenvergleich sucht, wende sich links zur Meybach-Uhr, die misst exakt 4,99 Meter Höhe.
1965 war das 3,70 mal 2,43 Meter große und fast 80 Kilogramm schwere Bild zusammen mit dem etwa zehn Meter messenden Zwergwal-Gemälde abgehängt worden und ins Überseemuseum gelangt. Nach einer aufwendigen Restaurierung hängt "Der Schwertfisch" seit 2012 wieder nahe seinem alten Platz an der Nordwand der Oberen Halle.
Siehe auch:
Gemälde der Zwergwal
"Die Klage Bremens" ist in der Ausstattung des Neuen Rathauses ein Kunstwerk von einzigartiger Bedeutung. Franz Radziwills Thema sind die Zerstörungen Bremens im Zweiten Weltkrieg, die er in vielen präzise gemalten Details abbildet. Durch Hinzufügung phantastischer Elemente vor dem Hintergrund einer massiv kontrastierenden Farbigkeit gelingt ihm in zweiter Ebene die künstlerische Annäherung an das nur schwer vorstellbare seelische und physische Leid ihrer Bewohner:innen, das sie durch die Erfahrungen von Tod und Verlust im Bombenkrieg jahrelang erlebten.
1977 hatte ein Mitarbeiter des Rathauses angeregt, dass im Neuen Rathaus doch auf irgendeine Weise an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg erinnert werde solle. Nach einigen Überlegungen in unterschiedliche Richtungen kam es Ende des Jahres zu der Idee, Franz Radziwills "Die Klage Bremens" für das Rathaus anzukaufen. Der Vorschlag fand einen starken Unterstützer: Bürgermeister Koschnick (1929–2016).
Hans Koschnick war in Gröpelingen aufgewachsen und hatte nicht nur die massive Verfolgung seiner politisch links eingestellten Eltern durch die Nationalsozialisten miterlebt, sondern auch den von Hitler 1939 entfesselten Krieg und die fast vollständige Vernichtung des Bremer Westens. Und zur Mahnung nachfolgender Generationen, dass sich Solches nie wiederholen dürfe, sei dies Bild ein wertvoller Beitrag des Rathauses, argumentierte Koschnick, der kurz nach dem erfolgreichen Ankauf und der offiziellen Vorstellung des Bildes im November 1978 sein zehnjähriges Dienstjubiläum als Präsident des Senats feierte. Zu vielen Anlässen und noch lange über seine 1985 geendete Amtszeit hinaus unterstrich der Bürgermeister seine Intention bei der Hängung des Bildes direkt beim Eingang zum Senatssaal: Genau an diesem zentralen Entscheidungsort des Bundeslandes muss es hängen, um die dort Verantwortlichen für die Zukunft an die katastrophalen Folgen des politischen Versagens in Deutschland zu erinnern.
Ein Zusammenschluss von sieben Bremer Geldinstituten hatte den erforderlichen Kaufpreis von 70.000 D-Mark gespendet. Radziwill hatte sein 1946 gemaltes, ohne Rahmen 118 x 168 cm großes Bild Mitte der 1950er Jahre und noch einmal nach 1965 um einige Elemente ergänzt. In einem Brief an Bürgermeister Hans Koschnick hob Kunsthallendirektor Günter Busch am 23. Dezember 1977 hervor, das Werk stelle "nicht nur ein geschichtliches Dokument von größter Seltenheit und Eigenart dar, es ist als 'künstlerische Bewältigung' seines Themas von besonderem Rang – ich wüßte kein vergleichbares Werk eines Künstlers von der Geltung Radziwills."
An der Abwicklung des Ankaufs war auch der damalige Protokollchef der Senatskanzlei, Peter Reischauer, beteiligt. In seinen 2011 erschienenen Erinnerungen erwähnt er eine Begebenheit in Zusammenhang mit dem Bild: Im Mai 1978 besuchte Königin Elizabeth II. mit ihrem Mann Prinz Philip Bremen und Bremerhaven. Bei ihrem Empfang im Bremer Rathaus kamen die beiden auch an der "Klage Bremens" vorbei. Die Queen, die Ende des Zweiten Weltkriegs als Lkw-Fahrerin und Mechanikerin militärischen Hilfsdienst geleistet hatte, blieb vor dem Bild stehen, wartete bis ihr ihr Mann neben ihr stand und fragte ihn mit Blick auf die Flugzeuge: "Philip, aren't that 'Light-nings'?" – tatsächlich hatte Radziwill, der sein Leben lang luftfahrt-begeistert war und öfter Flugzeuge malte, einen Doppelrumpf-Typ wie den der Lockheed P-38 "Lightning" vor dem bedrohlich-unheil-vollen Himmel über Bremen dargestellt. Als ein weiteres Detail fällt rechts im Bild ein kleines, scheinbar von Trümmerschutt befreites Stück Fußboden auf – und wer schon mal im Neuen Rathaus war, erkennt in dem markant gewürfelten gelben und grünen Fliesenfeld ein Zitat des Bodenbelags in dessen Erdgeschoss.
Radziwill hatte 1944 zusammen mit seiner Mutter in einem Bunker der Bauweise, wie er sie rechts im Bild malte, einen großen Luftangriff auf Bremen erlebt. Und wie die Mehrzahl aller Bremer:innen kannte auch er genau den Anblick aufgerissener Häuser und Keller, aus denen die Bewohner:innen mitunter völlig unversehrten Hausrat bergen konnten. In der Hoffnung, sie irgendwie weiter retten zu können, stellten sie ihre Habe zunächst an die Straße, wo die einzelnen Stücke daraus vor den zerstörten Häusern ein traurig-befremdliches Bild boten.
Siehe auch:
Wandelhalle
Gabriel von Seidl (1848–1913)
Erbauer des Neuen Rathauses (1909–1913)
Gemälde von Leo Samberger
lautet der gravierte Text des Messingschildes unter dem gold-gerahmten Porträt. Allein dessen prominente Hängung an der östlichen Wand auf der Oberen Wandelhalle zeigt, dass man in Bremen beim Bezug des neugeschaffenen Ensembles von Altem und Neuem Rathaus 1913 mit der Leistung des Architekten allgemein sehr zufrieden war. Und die Wertschätzung des Baus hat bis ins 21. Jahrhundert Bestand, nicht nur in Bremen: Als 2004 "Rathaus und Roland auf dem Marktplatz" zum kulturellen UNESCO- Welterbe erklärt wurden, bezog die Kommission das Neue Rathaus als Teil des Ensembles ausdrücklich mit ein.
Als gelernter Schlosser begann Seidl 1871 in seiner Heimatstadt München Architektur zu studieren und eröffnete dort 1878 zusammen mit Rudolf Seitz ein Gestaltungsbüro. Seidl brach mit der herkömmlichen, an Antike und Renaissance ausgerichteten Baugestaltung seiner Zeit und bekannte sich zu einem auch "deutsche Renaissance" genannten neuen Stil. Er schuf von Gewerbebauten über repräsentative Schlossbauten, Museen und Kirchen bis zu Wohnhäusern ein breites Spektrum mit variantenreichen Gestaltungslösungen. 1900 wurde der gefeierte Architekt durch die Aufnahme in den bayerischen Verdienstorden als "Ritter von Seidl" in den persönlichen Adelsstand erhoben.
Nachdem 1903/04 ein erster von Bremen ausgeschriebener Entwurfswettbewerb für einen Erweiterungsbau des Alten Rathauses an Stelle des Stadthauses auf dem Domshof zu keinem Ersten Preis geführt hatte, wurde 1907/08 ein zweiter ausgelobt. Der Münchener gewann, wurde beauftragt und erhielt 1913 allgemein höchste Anerkennung für das fertige Werk, dessen veranschlagte Bausumme von 1,5 Millionen Mark er um knapp sieben Prozent unterschritten hatte.