Im Mai 1405 wird auf dem Bremer Marktplatz der Grundstein für den Bau des Bremer Rathauses gelegt. Der Rat der Stadt braucht für seine Aufgaben ein eigenes Haus und einen respektablen Versammlungsort. Zugleich soll das Haus durch seine herausgehobene Lage jedem die gewachsene Bedeutung Bremens vor Augen führen. Und mehr noch: Ein eigenes Haus für den Rat der Stadt, gleich neben dem Sitz des Erzbischofs und in exakt der gleichen Größe, kann als Bekenntnis zum Reich und damit Unabhängigkeit der Stadt gegenüber dem kirchlichen Landesherrn verstanden werden . Das findet seinen Ausdruck in der Gestaltung der Fassade, insbesondere in den überlebensgroßen Figuren an der Südseite, die den Kaiser und seine sieben Kurfürsten darstellen.
Das Haus besteht zunächst aus zwei übereinander liegenden großen Hallen ( 41,5 x 15,8 m) mit streng gegliederter Fassade, spitzbogigen Fenstern und einem Wehrgang über den marktseitigen Arkaden. Die beiden fast identischen Schmalseiten mit den Portalen an Ost- und Westfront haben ihr mittelalterliches Aussehen bis heute bewahrt. Auch die Untere Halle, streng und klar gegliedert, ist in ihrem ursprünglichen Charakter nahezu unverändert geblieben. Der Raum ist in drei Längsschiffe geteilt. Zwei Reihen von 10 mächtigen, eichenen Stützpfeilern, auf denen die niedrige Decke ruht, geben der Halle eine karge Struktur. Sie zählt heute zu den bedeutenden Profanbauten der späten Gotik.
Zwei Jahrhunderte später entschließt sich der Rat zu einem Umbau der Fassade: Die eher schlichte Front genügt nicht mehr den Repräsentationszwecken. Lüder von Bentheim bekommt den Auftrag - und ihm gelingt ein großer Wurf. 1609 - 1612 entsteht im Stil der so genannten Weser-Renaissance eine der schönsten Rathausfassaden der Welt.
1608 werden die ersten Arbeiten aufgenommen. Der Mittelteil wird abgerissen, zuvor sind schon die Fenster verbreitert und eckig gefasst worden. An die Stelle des abgerissenen Fassadenteils wird ein mächtiger gläserner Erker gesetzt, gekrönt von einem flandrischen Giebel. Das Highlight freilich ist der wunderbare, überaus reichhaltige Fassadenschmuck - wahre Meisterwerke der Bildhauerkunst, die mit der Fülle ihrer Figuren und Reliefs, mit den Körpern, Köpfen, Engeln und Fabeltieren kaum in ihrer Gesamtheit zu erfassen sind. Eine Vielzahl von Szenen und Gestalten, deren Symbolgehalt nicht immer leicht zu entschlüsseln ist.
Siehe auch:
Lüder von Bentheim
,
Neues Rathaus
Die Arkaden der Bremer Rathausfassade sind überreich geschmückt. Das Auge vermag die vielen Darstellungen auf den insgesamt elf Bögen kaum zu erfassen. Im folgendem wird das symbolträchtige Figurenprogramm detailliert beschrieben.
Über jedem Bogen findet sich rechts und links der so genannte "Zwickel", eine ebene, dreiseitig begrenzte Fläche - Platz genug für insgesamt 22 Frauenfiguren, sitzend oder liegend, viele sind nur teilweise bekleidet, manche sind hüllenlos. Jede Figur steht für eine bestimmte Geschichte oder stellt ein bestimmtes Symbol dar. Am meisten Sinn scheint die Betrachtung der Figuren von der Mitte beginnend hin zu den beiden Außenseiten zu machen. Sie verweisen auf Ziele und Tugenden des Staates in Verbindung mit den weltlichen und geistlichen Zielen, die jeder einzelne anstreben soll. Die Zwickel werden von Büsten, den "Hermen", unterbrochen, die auf Sockeln stehen.
Das Fries
Darüber liegt das Fries, geschmückt mit einander zugewandten Figuren. Die Friese, die sich außerhalb des "Mittelrisaltis" (in ganzer Höhe einer Gebäudefassade vorspringender Teil) befinden, stellen die verschiedenen Sternzeichen da. Die anderen zeigen in symbolischer Gestalt die Kardinaltugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowie Klugheit, Mäßigkeit, Stärke und Gerechtigkeit Zwischen den Zwickeln lassen sich Fruchtgehänge erkennen. Unter den Fenstern Güldenkammer sind vier Wappen platziert - es sind die Wappen der Bürgermeister aus der Zeit um 1612. Zwischen den Säulen erkennt man die vier Jahreszeiten als Figursymbole.
- Die Figurendarstellungen über den Arkadenbögen - beginnend an der Westseite
- Die vier Wappen der Bürgermeister
- Die vier Jahreszeiten
- Die Schlusssteine
Anmerkung:
Für die Darstellung wurde u.a. die ausführliche Ikonologie von Rolf Gramatzki "Das Rathaus Bremen", 1994 zu Grunde gelegt.
Der Bacchuskeller des Bremer Ratskellers wurde 1620 als Weinlager erbaut. 1926 wurde nach einer Lagerverlegung dieser Teil des Ratskellers zu einem Gastraum ausgebaut. Die Bezeichnung verdankt er dem Weinkönig Bacchus, dessen Figur aus der Barockzeit noch heute auf einem Fass ("Bacchusfass") in dem Gastraum zu finden ist.
Siehe auch:
Handel und Seefahrt haben die Hansestadt Bremen entscheidend geprägt:
Es waren Bremer Kaufleute, die hier im Schnittpunkt der wichtigsten Handelsstraßen vom Rhein zur Ostsee und von der Weser zur Nordsee die Geschicke dieser Stadt bestimmt haben. In diesem Zusammenhang steht der Aufstieg Bremens zu einer – wenn auch heimlichen – Wein- Metropole in Deutschland. Die einzigartige Bedeutung des Ratskellers ist ohne seine wechselhafte Geschichte, die sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, nicht zu verstehen.
Vom Weinkeller zum Ratskeller
Sein Name hat oft gewechselt, vom "Weinkeller" zum "Stadtweinkeller" und "Ratsweinkeller" bis hin zum "Ratskeller"; sein Ruhm, eines der ehrwürdigsten und besten deutschen Weinhandelshäuser zu sein, ist in den Jahrzehnten seines Bestehens ständig gewachsen. Heute beherbergt der Ratskeller sowohl den Ratskeller-Weinverkauf als auch einen gastronomischen Betrieb in den ehrwürdigen Hallen im Keller des Bremer Rathauses.
Prunkvolle, riesige alte Weinfässer mit üppigen Schnitzereien geben dem Hauptraum eine unverwechselbare Atmosphäre. Das älteste stammt aus dem Jahr 1723. Man sitzt an zünftigen, langen Holztischen, ordert "einen Schoppen" oder wählt aus der 60seitigen Weinkarte. Wer es intimer mag, lässt sich seinen Wein oder ein gutes Essen in einer der "Priölken" servieren - das sind kleine, halbrunde Zimmerchen, die um 1600 entstanden und einst mit Öfen gewärmt wurden.
Im sogenannten Hauff-Keller ließ sich der Dichter Wilhelm Hauff 1827 zu seiner bekannten Weinnovelle "Phantasien im Bremer Ratskeller" hinreißen. Diese haben, vermutlich unter Einfluss eines guten Tropfens, den Maler Max Slevogt zu den humorvollen Fresken angeregt, die noch heute hier die Wände schmücken. Der Hauffkeller wie auch der Bacchuskeller wurden 1620 zunächst als Weinlager gebaut, sind inzwischen aber für die Gäste geöffnet.
Mehr Informationen finden Sie auf folgenden Webseiten:
- Ratskeller Weinverkauf: https://www.ratskeller.de/
- Ratskeller Gastronomie: https://www.ratskeller-bremen.de/wir/">Ratskeller
Das prunkvolle Portal war ein Geschenk des braunschweig-lüneburgischen Herzogs Julius (1528–1589) an die Stadt Bremen und wurde 1578 im Rathaus eingebaut. Die drei Frauengestalten über dem Türgericht stellen die Rechtsordnung, den Sieg und die Gerechtigkeit dar (v.l.n.r.). Herzog Julius war Bremen auch durch Geldanleihen verbunden und erhielt einige Jahre später vom Rat der Stadt erneut umfangreich Kredit.
Der Name "Collektenkammer" deutet daraufhin, dass hinter dieser Tür die bremische Steuerverwaltung ihren Sitz hatte.
Siehe auch:
Schlüsselwappen-Rhederkammer-Portal
,
Tafel-Portal
,
Wittheitsstuben-Portal
Eines der bekanntesten Wahrzeichen der Hansestadt sind die Bremer Stadtmusikanten. 1819 schickten die Brüder Grimm vier Tiere auf die Reisen in die Hansestadt, die als Bremer Stadtmusikanten berühmt wurden.
Obwohl sie nie in Bremen ankamen, sondern auf ihrem Weg in die Hansestadt eine Räuberbande aus ihrem Haus vertrieben und dort blieben, erinnert eine Bronzestatue von Gerhard Marcks seit 1953 an das beliebte Märchen. Gemeinsam, mit Mut und festen Zusammenhalt das fast unmögliche schaffen, davon erzählt das Märchen der tierischen Freunde.
An der etwa 2 Meter hohen Bronzestaue, die an der westlichen Seite des Bremer Rathauses steht, versammeln sich täglich Besucher:innen aus aller Welt. Esel, Hund, Katze und Hahn zu berühren soll Glück bringen.
"Zieh lieber mit uns fort nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall", lautet einer der berühmtesten Sätze aus dem Märchen. Bremen der Startpunkt für viele, die in die neue Welt auswandern wollten um dort ein besseres Leben zu führen und ihr Glück zu finden.
Heute steht das tierische Quartett für Bremen wie die Weser, der Dom, das Rathaus und der Hafen.
Der Erbauer dieses Brigg-Modells war der Bremerhavener Gerhard Wessels. Er hatte Jahre hindurch an seiner Brigg gearbeitet und ist nach Angabe der Spender des Schiffes am Tag der Fertigstellung mit Herzschlag verstorben. Das Modell mit massivem Rumpf gelangte über die mit Wessels verwandte Familie Klencke 1948 samt lebensechter Figuren an Bord ins Rathaus, aber erst im zweiten Versuch. 1940 war es dort als Geschenk noch abgelehnt worden, weil die Familie darauf bestand, ihren Namen durch einen Spenderhinweis verewigt zu sehen. Acht Jahre später war der Grund für die Abweisung offenbar nicht mehr im Blick der Rathausverwaltung. Die Klenckes bekamen ihren Willen, und das nach dem weiteren Familienmitglied "I.W.Wendt" benannte Brigg-Klotzmodell gelangte zur Aufstellung – mitsamt zweier wie folgt gravierter Schildchen:
"Erbauer: Gerhard Wessels, Bremerhaven/Stifter: Martin Klencke, Kappeln (Schlei)" und "Dem Andenken der Kapitäne Wendt u. Klencke gewidmet."
Das Besondere an dem Modell der Brigg ist neben der sehr prominenten Aufstellung der Vitrine in der unteren Wandelhalle die Ausstattung des Schiffdecks mit Figuren – somit bietet es gleich im Eingangsbereich des Neuen Rathauses auch einen unterhaltsamen Blickfang, der nicht nur bei jungen Besucher:innen sehr gut ankommt.
Am 11. Februar 1919 wählte die seit wenigen Wochen in Weimar bestehende Nationalversammlung den früheren Bremer Bürgerschaftsabgeordneten und SPD-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Ebert zu ihrem ersten Präsidenten. Er blieb bis zu seinem Tod am 28. Februar 1925 im Amt.
1952 beschloss der Senat, zu Ehren des Reichspräsidenten im Rathaus eine Bronzebüste aufzustellen. Bei der Enthüllung am 28. Februar 1953 wies Bürgermeister Wilhelm Kaisen im Beisein von Eberts Witwe darauf hin, dass Ebert 1919 an die Spitze eines ausgebluteten, wirtschaftlich vollkommen am Boden liegenden deutschen Staates gelangte und sich zäh dessen (Wieder-)Aufbau widmete. Kaisen konnte somit stimmig im noch immer von Trümmergrundstücken geprägten Bremen das Vorbildhafte Eberts und seiner Leistungen hervorheben. Er endete mit dem Wunsch, die Büste solle die Erinnerung wachrufen, dass "auch er ein Bremer Bürger war, der sich in Zeiten stürmischen Geschehens im höchsten Reichsamt bewährte und dessen Wahlspruch war: Einigkeit und Recht und Freiheit!"
Ebert wurde 1871 in Heidelberg geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war Schneidermeister, er selbst erlernte das Sattlerhandwerk, ging damit ab 1889 "auf Wanderschaft" und wurde mit der sozialistischen Idee bekannt. An vielen Stationen seines Weges gründete Ebert Zweigstellen des Sattlerverbandes, engagierte sich für die Rechte der Arbeiter und gelangte so unter Beobachtung des Sozialistengesetzes (1890 aufgehobenen). 1891 ließ sich Ebert in Bremen nieder und setzte sein gewerkschaftliches Engagement fort. Nach einer Zeit als Redakteur und selbstständiger Handwerker führte er von 1894 an zusammen mit seiner Frau Louise die gepachtete Schankwirtschaft "Zur guten Hilfe". Mit ihrer Heirat im selben Jahr waren beide bremische Staatsangehörige geworden, aus ihrer Ehe gingen fünf Kinder hervor. 1899 wurde Ebert in die Bürgerschaft und zum SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt.
Auf einem 1904 von ihm in Bremen geleiteten Parteitag konnte sich Ebert, dessen Schwerpunkt die Sozialpolitik war, weiter profilieren. Im Jahr darauf zog die Familie nach Berlin, wo Ebert 1913 Mitvorsitzender der SPD und später Mitglied der letzten Regierung vor Einführung der Demokratie 1919 wurde.
Siehe auch:
Wandelhalle
Neben den Reichs- und Bundespräsidenten Ebert und Heuss darf der Bremer Karl Carstens nicht fehlen. Seine Bronzebüste schuf der Bildhauer Ernemann Sander 2003 nach einem Gipsabdruck seines eigenen Werkes.
Carstens kam 1914 unweit des Bürgerparks in der Fitgerstraße zur Welt und besuchte später das Alte Gymnasium. Nach Jurastudium, Referendariat, Promotion und Kriegsdienst bei der Flugabwehr arbeitete er von 1945 an als Anwalt in Bremen und wurde 1949 Berater des Senats und Bevollmächtigter beim Bund. 1954 wechselte er in den diplomatischen Dienst und wurde als Fachmann für Europafragen im Auswärtigen Amt 1960 zum Staatssekretär und Stellvertreter des Bundesaußenministers ernannt. Parallel dazu lehrte Carstens 1960–73 Staats- und Völkerrecht als ordentlicher Professor der Universität Köln. Seit 1972 gehörte Carstens der CDU-Fraktion des Bundestags an und hatte von 1973 bis zu seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten 1976 deren Vorsitz inne. 1979 wurde Carstens fünfter Präsident der Bundesrepublik (bis 1982) und galt wegen seiner auch öffentlich praktizierten Wanderlust als volksnaher "Wanderpräsident".
Außer seiner Zeit als Bremens Bevollmächtigter beim Bund hatte Carstens 1945–47 als Berater und Mitarbeiter des Bremer Bürgermeisters und Justizsenators Theodor Spitta bei der Ausarbeitung der Bremer Verfassung mitgewirkt und Bürgermeister Kaisen 1950 in den USA bei den Verhandlungen zur Wiederzulassung des deutschen Schiffbaus unterstützt. Carstens verstarb 1992 und wurde auf dem Riensberger Friedhof beigesetzt.
Carstens war drei Jahrzehnte jünger als sein erster Vorgänger im Amt des Bundespräsidenten und 19 Jahre alt, als 1933 zu Beginn der NS-Zeit Theodor Heuss' Bücher öffentlich verbrannt wurden. Während der Ältere in der Diktatur kaltgestellt und zum Wegducken verdammt war, musste der Jüngere Studium und Kriegseinsatz im offenen Blickfeld der Zwangsideologie absolvieren. Wie genau er sich dabei zum NS-System verhielt, ist unterschiedlich bewertet worden.
1949 wurde Theodor Heuss zum ersten Präsidenten der Bundesrepublik gewählt und blieb es bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit 1959. Wenige Tage nach Heuss' Tod am 12. September 1963 beschloss der Senat, dem Verstorbenen im Bremer Rathaus dauerhaft ein ehrendes Andenken einzurichten. Die Wahl fiel 1965 auf diese von Gerhard Marcks geschaffene Bronzebüste.
Dass der Präsident bundesweit nicht ganz unbeliebt gewesen sein kann, davon zeugt allein sein volksmundlicher Name "Papa Heuss", und wenn er sich dem Land Bremen gegenüber als sehr zugeneigt zeigte, dann dürfte es vor allem an seiner freundschaftlichen Verbindung zu Bürgermeister Wilhelm Kaisen gelegen haben. Als einer der wenigen Ausnahmefälle von der traditionellen Regel, dass die "Stiftung Haus Seefahrt" Auswärtige je nur einmal zur Schaffermahlzeit lädt, war Heuss zweimal Ehrengast (1952 und 1955).
1884 im württembergischen Brackenheim geboren, studierte Heuss nach dem Abitur in Heilbronn in München und Berlin u.a. National-ökonomie (heute: Volkswirtschaftslehre), Philosophie und Kunstgeschichte. Schon als Schüler hatte er sich für die Lehre und Arbeit des Theologen und liberalen Politikers Friedrich Naumann (1860–1919) begeistert und engagierte sich später in vielen von dessen publizistischen, kulturellen und politischen Initiativen. Heuss war in den 1920er Jahren zumeist gleichzeitig als Reichstagsabgeordneter, Publizist, Journalist Ωund Verbandsfunktionär aktiv (Deutscher Werkbund, Schutzverband deutscher Schriftsteller). Seit 1930 bekämpfte er mit Reden, Vorträgen und Schriften den erstarkenden Nationalsozialismus und besonders dessen Anführer, Adolf Hitler. Als dieser 1933 an die Macht kam, musste Heuss fast alle Tätigkeiten aufgeben und konnte sich nur noch in Nischen und, wenn überhaupt, unkritisch der NS-Ideologie gegenüber äußern. Auch das sozial-politische und christliche Engagement seiner Frau Elly Heuss-Knapp (1881–1952) war in der NS-Zeit unmöglich. Sie hielt die Familie wirtschaftlich mit der Produktion von Werbetexten (und Radiospots sowie Jingles) über Wasser (u.a. für "Nivea" und Kaffee Hag mit der Marke "Kaba, der Plantagentrank").
Nach dem Ende der NS-Zeit erhielt Theodor Heuss von der US-Militärregierung die Lizenz für die "Rhein-Neckar-Zeitung" und engagierte sich zusammen mit seiner Frau erneut und sehr aktiv für liberale Politik (DVP/FDP). 1948 wurde er zu einem maßgeblichen Mitglied des Parlamentarischen Rats zur Ausarbeitung des Grundgesetzes und legte mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1949 das Amt des FDP-Bundesvorsitzenden nieder.
Einige Wochen vor seiner Enthüllung am 25. November 1952 war dieses Bronzerelief zu Ehren eines der bedeutendsten deutschen Städteplaners, Architekten und Publizisten seiner Zeit noch einmal Thema einer Senatssitzung. Bürgermeister Kaisen meinte, es könne doch sehr stimmig in einem späteren Neubau der Bauverwaltung hängen. Doch dazu kam es nicht, und bis heute gibt es gute Gründe, dass das Relief zu Ehren des in Bremen geborenen Fritz Schumachers weiter im Rathaus hängt – zum Beispiel die Künstlerin: Clara Rilke-Westhoff (1878–1954) ist eine der wenigen Frauen, die zur künstlerischen Ausstattung des Rathauses beitrugen, denn zu ihren Lebzeiten war es fast nur Männern möglich, ihr Leben der Kunst widmen zu können. Neun Jahre jünger als der von ihr dargestellte Schumacher, ist sie wie dieser in Bremen geboren und anschließend zur Ausbildung nach München gegangen. Sie, um sich zur Malerin ausbilden zu lassen, und er für den Besuch der Technischen Hochschule. 1896 schloss Schumacher dort sein Architekturstudium ab. Er begann seine erste Anstellung im Münchener Büro seines frühen Förderers Gabriel von Seidl und wechselte dann ins Stadtbauamt nach Leipzig. 1901 wurde er Professor an der TU Dresden und wurde 1909 Baudirektor in Hamburg.
Nach ihrer Münchener Zeit hatte sich Clara Rilke-Westhoff zu einer der frühen deutschen Bildhauerinnen entwickelt und war Teil der Künstlerkolonie Worpswede geworden. 1919 siedelte sie gemeinsam mit ihrer Tochter nach Fischerhude über. Zu dieser Zeit galt Fritz Schumacher bereits als Koryphäe seines Fachs und stand vor einem dreijährigen Engagement der Stadt Köln. Von 1923 an wirkte er als Oberbaudirektor erneut in Hamburg, bis er 1933 von der NS-Verwaltung zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Schumachers Verbindung zu seiner Heimatstadt war nie abgerissen. Nach Gewinn eines Architektenwettbewerbs hatte er 1908 dort das monumentale (nicht mehr erhaltene) Franzius-Denkmal am Ende der Wachtstraße gebaut, aber im selben Jahr für den Bau des Neuen Rathauses das Nachsehen gegen seinen früheren Lehrer von Seidl. In den 1920er Jahren beriet Schumacher Bremen häufig in planerischen Fragen – seinen eigenen Aussagen nach meist als Verhinderer starker Eingriffe in die bestehende Stadtstruktur. So warnte er vehement vor einer Durchbruchstraße entlang der Bischofsnadel und stellte sich gegen übergroße Bauvorhaben in den Wallanlagen. 1947 verstarb Schumacher hochgeehrt in Hamburg.
Aus Anlass einer Städtebautagung in Bremen wurde 1949 eine posthume Würdigung Schumachers durch die Stadt beschlossen. Der Auftrag ging in erfahrene Hände nach Fischerhude, wo Clara Rilke-Westhoff weiterhin in ihrem Wohnhaus mit Atelier lebte und sich als Bildhauerin und dann auch als Malerin einen Namen gemacht hatte.
Mit ihren mehr als 20.000 Beschäftigten und über 100 Schiffen beheimatete Bremen bis zum Ersten Weltkrieg (1914–18) eine der größten Schifffahrtsgesellschaften der Welt: den 1857 gegründeten Norddeutschen Lloyd.
Zur Ausgestaltung des Neuen Rathauses schenkte die Reederei der Stadt im Jahr 1912 diese Bronzeskulptur. Damit alle gleich sehen, von wem sie stammt, hatte der Bildhauer Fritz Behn mittig das Unternehmenssignet verarbeitet. An der gegenüberliegenden Stelle der Rückseite modellierte er einen Bremer Schlüssel.
Behns Werk heißt "Die Schiffahrt", aber es war zunächst auch der Titel "Die Weser" im Umlauf (und ebenso deren lateinische Bezeichnung "Visurgis"). Beide deutschen Namen sind weiblich wie die bis auf eine Perlenkette unbekleidete Figur auf dem Rücken des kräftigen Fischwesens. Dort sitzt sie ganz ruhig und bequem. Somit kann sie ungefährdet von den Wellen in die Ferne spähen und das Kunstwerk als Sinnbild für "sichere Schifffahrt" gelten. An den vier Ecken des Sockels hat der Künstler seine Vorstellungen von Meeres- und Windgöttern dargestellt.
Sowohl die "Weser-Zeitung" wie auch die "Bremer Nachrichten" berichteten Anfang 1913 zur NDL-Schenkung zwei Details aus der Vita des Künstlers, dass nämlich der in München lebende "Prof. Behn" eigentlich ein "Lübecker Kind" sei und außerdem "der Sohn eines Senators unserer Schwesterstadt".
Das kleine Bibliothekszimmer in der 2. Etage ist ein fast verborgener Schatz im schönen Bremer Rathaus, denn Führungen beschränken sich zumeist auf die erste Etage. Rudolf Alexander Schröder würde seine reine Freude an diesem Zimmer haben. Der Raum ist mit Möbeln ausgestattet, die der in Bremen geborene Architekt, Dichter und Designer einst für ein Bibliothekszimmer entwarf. Es sind schöne Vitrinen aus feinstem Kuba-Mahagoni, Regale und Schränke mit Schaukästen, die in den Jahren 1908 und 1909 von den Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in Bremen für einen Privatmann gefertigt wurden.
Auf dem Marktplatz und im Herzen von uns Bremern*innen nimmt das Rathaus einen besonderen Platz ein. Gar nicht hanseatisch bescheiden halten wir es für das schönste Rathaus Deutschlands. Und da sind wir nicht allein.
Die UNESCO hat das Bremer Rathaus gemeinsam mit dem Roland, unserer "Freiheitsstatue", als Weltkulturerbe anerkannt. In ganz Deutschland gibt es davon nur rund 40 Stück.
Treten Sie ein in die festliche Obere Rathaushalle, die damals wie heute für traditionsreiche Veranstaltungen, prominenten Besuch, Kultur und Politik genutzt wird. Lauschen Sie den Erklärungen Ihres*r Gästeführers*in und entdecken Sie kleine und feine Details in diesem wunderschön gestalteten Raum mit über 600 Jahren Geschichte.
Darin eingebettet liegt ein kleines Zimmer, das seinen Namen zurecht trägt: die Güldenkammer. Sie dürfen einen Blick hinein werfen und die wertvollen Verzierungen mit Ornamenten des Jugendstils bewundern.
Beim Gang in den eleganten Festsaal fragen Sie sich, ob es sich tatsächlich um einen Anbau aus dem 20. Jahrhundert handelt. Ein Beispiel gelungener Architektur.
Mehr Informationen zu den Gästeführungen finden Sie auf der Website der BTZ (Bremer Touristik Zentrale):
https://www.bremen-tourismus.de/bremen/offer/detail/DEU99999990039255330?lang=de
Der Festsaal ist der größte Raum des Neuen Rathauses, das von 1909 bis 1913 nach Plänen des Münchner Architekten Gabriel von Seidl entstand und sich sich harmonsich an das historische Rathaus anschmiegt.
Dunkles, glänzendes Eichenholz an den Wänden, die helle Kassettendecke in wirkungsvollem Kontrast dazu verleihen dem Raum eine besondere Note. Imposant wirkt der Jugendstilleuchter unter der Decke mit seinen von goldbronzenen Girlanden gehaltenen 90 Lampen. Das Original wurde im Zweiten Weltkrieg als Metallspende eingeschmolzen, 1990 wurde der Leuchter nach alten Fotos von der sächsischen Bronzewarenfabrik in Wurzen (bei Leipzig) nachgebildet.In den oberen vier Ecken des Raumes erinnern vier ovale Bilder an die Festungszeiten der alten Stadt: Sie verweisen auf die vier Stadttore Ansgaritor, Braut, Zwinger und Hohentor.
Siehe auch:
Kabinett zu Ehren Kaiser Wilhelm II
Überlebensgroß sind Kaiser Karl und Bremens erster Bischof Willehad an der Nordwand der Oberen Halle auf prunkvollen Sesseln sitzend dargestellt. Ihre Geste zeigt, dass sie einig zum Dom der Stadt halten. Das Motiv ist bereits im ältesten im Staatsarchiv erhaltenen Abdruck des Siegels der Stadt Bremen aus dem Jahr 1230 abgebildet. Der Rat wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Stadt einst von Karl und Willehad persönlich gegründet worden sei.
Als das Fresco im Jahr 1532 entstand, waren der Kaiser und der Bischof bereits länger tot als das Rathaus heute alt ist. Somit ist der großmaßstäblich gemalte Bezug auf ihre Persönlichkeiten als eine weitere bildlich dargestellte Versicherung zu deuten, dass Bremen seit jeher auf höchsten weltlichen und kirchlichen Schutz bauen konnte. Das ist die Kernaussage des 4,45 x 6,75 Meter messenden Bildfeldes, zu dem darunter noch 84 Zeilen goldene Frakturbuchstaben in gereimtem Mittelniederdeutsch gehören.
Auch die Stelle im westlichen Teil der Nordwand war für das Motiv nicht zufällig ausgewählt worden. Der Rat tagte und hielt Gericht an der östlichen, dem Dom zugewandten Seite der Oberen Halle. Und wenn sich Vertreter der Bürgerschaft oder zu anderen Gelegenheit auch weitere Gäste im Rathaus versammelten, war ihr Platz auf der Seite zur Liebfrauenkirche unter dem Fresco. Das große Bild konnte dort allen Zeitgenoss:innen den aus der bremischen Gründungszeit lebendig in die damalige Gegenwart übertragenen Anspruch städtischer Freiheit vermitteln und verstärken.
Die malerische Ausführung des Motivs zeigt zugleich, dass die Stadt ihrerseits Kaiser und Kirche Ehre erweist. Sie selbst stellt sich sehr zurückgenommen nur am unteren Bildrand dar, und zwar durch ihren von Löwen gehaltenen Schlüssel und die Wappen der damals amtierenden Bürgermeister Daniel von Büren der Ältere, Meiner von Borken, Martin von Heimburg und Dietrich Hoyer.
"Salomons Urteil" ist nicht zufällig an diese Stelle der Nordwand der Oberen Halle gemalt worden. In dem Bereich vor dem 6,48 mal 8,14 Meter großen Kunstwerk tagte in früheren Zeiten der Bremer Rat. Das Motiv sollte ihn zu gerechtem Urteil mahnen. Bis 1848/49 gab es in Bremen keine eigenständige öffentliche Gerichtsbarkeit. In allen innerbremischen Rechtsangelegenheiten und -streitigkeiten war der Rat der Stadt zugleich das oberste Justizgremium. Deshalb finden sich im Alten Rathaus viele Bezüge zu den Themen Regierung und Rechtsprechung. Sie sind als konkrete Erinnerungen zu sehen, stets um gute, also gerechte Urteile bemüht zu sein. In diesem Sinne wacht auch die prächtig geschnitzte Justitia über der Tür zur Güldenkammer. Doch während sie sich wie die in den Ölgemälden illustrierten "Richtertugenden" an der Außenwand der Güldenkammer auf das römische Recht und vielfach auf konkrete Bestandteile der Rechtsfindung beziehen, zitiert dies große Fresko aus dem Jahr 1532 ganz allgemein das bekannteste Gerechtigkeitsmotiv der jüdisch-christlichen Geschichte:
"Das Urteil des König Salomon" ("Salomonisches Urteil"). Diese im Alten Testament im Buch der Könige überlieferte Geschichte ist in ähnlicher Form auch in fernöstlichen Kulturen bekannt und wurde vom Künstler (vermutlich Bartholomäus Bruyn, 1493–1555) im Stil der Renaissance dargestellt. Mit dem Blick auf das Rathaus-Fresco lautet sie in Kurzform etwa so: Umgeben von Angehörigen seines Gefolges und zwei edlen Jagdhunden sitzt Salomon, Sohn von König David und weiser Herrscher über Israel, auf goldfarbenem Thron nahe dem von ihm erbauten Tempel. Dargestellt ist der Moment seines Urteilspruches im Streit der beiden Frauen im Mittelpunkt der Szene, von denen die eine kniet. Die andere steht neben ihr und hält ein Kind in den Händen. Beide wohnen im selben Haus und sind vor kurzem Mutter geworden – doch eines der Neugeborenen ist verstorben und liegt nun tot zwischen ihnen auf dem Fußboden. Vor Gericht klagen sich die Frauen nun gegenseitig an, den Leichnam nachts unbemerkt gegen das lebende Kind ausgetauscht zu haben. Salomon kann nicht ermitteln, welche Frau im Recht ist, und sagt zu seinem Scharfrichter, der mit linker Hand schon einen Arm des Kindes gegriffen hat und mit der rechten sein Schwert zieht, er solle es in zwei Hälften zerteilen, dann wäre zumindest keine der Frauen benachteiligt. Kaum willigt die eine Mutter ein, ruft die andere, sie ziehe ihre Klage zurück, wenn nur das Kind nicht sterben müsse. Auf diesen Moment hat der König gewartet und spricht der verzichtenden Frau das Kind zu – ihre Liebe hätte sie als die tatsächliche Mutter erwiesen und die andere als kaltherzige Lügnerin. Sein Urteilsspruch verstärkte die Legende von Salomon als großer Richter und weiser Regent.
Das auf das Jahr 1532 datierte Bild zählt zu den größten kunsthistorischen Kostbarkeiten Bremens. Erst als bei Restaurierungen im 20. Jahrhundert jüngere Übermalungen entfernt worden waren, wurden die heute gerühmten Qualitäten der Malerei wieder gewürdigt. Im Laufe der Jahrhunderte hatten immer wieder Fehlstellen ausgebessert werden müssen, und besonders die Umbauten und Erneuerungen des Daches Ende der 1590er und Ende der 1920er Jahre hatten zu Veränderungen und Übermalungen im oberen Bereich geführt. Ein prägnanter Beleg dafür ist die Moses-Abbildung in der ersten der sechs links und rechts das Bild flankierenden Figurendarstellungen und Texte: Nach Entfernung einer Schicht erschien der Teil eines älteren Kopfes, und so sind heute zwei halbe Köpfe des Propheten zu sehen.
Gabriel von Seidl (1848 – 1913), war ein deutscher Architekt und wurde 1900 durch Verleihung des Bayrischen Kronenordens in den Adelsstand erhoben (Ritter von Seidl). 1906 erhielt er den Auftrag einen Entwurf für den neuen Anbau an das alte Rathaus zu entwerfen. Es gelang ihm meisterhaft, den Neubau, der dreimal so groß werden sollte, behutsam in Einklang zu bringen mit dem bereits bestehenden Altbau.
Siehe auch:
Neues Rathaus
Am 18. Juli 1696 machten Bremer Fischer auf der Weser den außergewöhnlichen Fang eines großen Schwertfischs. Zwei Tage später brachten sie ihn nach Bremen, wo er viel Aufsehen erregt haben dürfte, denn ein solch großes Tier konnten die meisten nur aus Erzählungen kennen. Grund genug, dass der Rat (= Senat) den Maler Paul Wolers beauftragte, die naturkundliche Besonderheit in Öl festzuhalten.
Einen so großen Schwertfisch zu erlegen, hatte eine außerordentliche Leistung der Fischer erfordert. Sie konnten ihre Boote nur mit Wind- und Muskelkraft bewegen und waren für den Kampf mit einem solchen "Ungeheuer" der übermächtigen See vor allem auf ihren Mut und ihre Erfahrung angewiesen.
Hinter der an Land gebrachten Trophäe im Vordergrund stellte Wolers rechts im Bild mit dunklen Wolken und aufgewühltem Meer die bedrohliche Macht der Natur dar. Warmes Sonnenlicht lässt er dagegen auf die links im Hintergrund zu sehende Stadtsilhouette fallen und deutet so den gelungenen Fang als von Menschenhand errungenen Sieg gegen die wilde und gefährliche Gewalt der See.
Dem Text unter dem Bild folgend, war das Tier insgesamt 17,5 Fuß lang, was etwa fünf Metern entspricht, und wer einen Größenvergleich sucht, wende sich links zur Meybach-Uhr, die misst exakt 4,99 Meter Höhe.
1965 war das 3,70 mal 2,43 Meter große und fast 80 Kilogramm schwere Bild zusammen mit dem etwa zehn Meter messenden Zwergwal-Gemälde abgehängt worden und ins Überseemuseum gelangt. Nach einer aufwendigen Restaurierung hängt "Der Schwertfisch" seit 2012 wieder nahe seinem alten Platz an der Nordwand der Oberen Halle.
Siehe auch:
Gemälde der Zwergwal
"Die Klage Bremens" ist in der Ausstattung des Neuen Rathauses ein Kunstwerk von einzigartiger Bedeutung. Franz Radziwills Thema sind die Zerstörungen Bremens im Zweiten Weltkrieg, die er in vielen präzise gemalten Details abbildet. Durch Hinzufügung phantastischer Elemente vor dem Hintergrund einer massiv kontrastierenden Farbigkeit gelingt ihm in zweiter Ebene die künstlerische Annäherung an das nur schwer vorstellbare seelische und physische Leid ihrer Bewohner:innen, das sie durch die Erfahrungen von Tod und Verlust im Bombenkrieg jahrelang erlebten.
1977 hatte ein Mitarbeiter des Rathauses angeregt, dass im Neuen Rathaus doch auf irgendeine Weise an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg erinnert werde solle. Nach einigen Überlegungen in unterschiedliche Richtungen kam es Ende des Jahres zu der Idee, Franz Radziwills "Die Klage Bremens" für das Rathaus anzukaufen. Der Vorschlag fand einen starken Unterstützer: Bürgermeister Koschnick (1929–2016).
Hans Koschnick war in Gröpelingen aufgewachsen und hatte nicht nur die massive Verfolgung seiner politisch links eingestellten Eltern durch die Nationalsozialisten miterlebt, sondern auch den von Hitler 1939 entfesselten Krieg und die fast vollständige Vernichtung des Bremer Westens. Und zur Mahnung nachfolgender Generationen, dass sich Solches nie wiederholen dürfe, sei dies Bild ein wertvoller Beitrag des Rathauses, argumentierte Koschnick, der kurz nach dem erfolgreichen Ankauf und der offiziellen Vorstellung des Bildes im November 1978 sein zehnjähriges Dienstjubiläum als Präsident des Senats feierte. Zu vielen Anlässen und noch lange über seine 1985 geendete Amtszeit hinaus unterstrich der Bürgermeister seine Intention bei der Hängung des Bildes direkt beim Eingang zum Senatssaal: Genau an diesem zentralen Entscheidungsort des Bundeslandes muss es hängen, um die dort Verantwortlichen für die Zukunft an die katastrophalen Folgen des politischen Versagens in Deutschland zu erinnern.
Ein Zusammenschluss von sieben Bremer Geldinstituten hatte den erforderlichen Kaufpreis von 70.000 D-Mark gespendet. Radziwill hatte sein 1946 gemaltes, ohne Rahmen 118 x 168 cm großes Bild Mitte der 1950er Jahre und noch einmal nach 1965 um einige Elemente ergänzt. In einem Brief an Bürgermeister Hans Koschnick hob Kunsthallendirektor Günter Busch am 23. Dezember 1977 hervor, das Werk stelle "nicht nur ein geschichtliches Dokument von größter Seltenheit und Eigenart dar, es ist als 'künstlerische Bewältigung' seines Themas von besonderem Rang – ich wüßte kein vergleichbares Werk eines Künstlers von der Geltung Radziwills."
An der Abwicklung des Ankaufs war auch der damalige Protokollchef der Senatskanzlei, Peter Reischauer, beteiligt. In seinen 2011 erschienenen Erinnerungen erwähnt er eine Begebenheit in Zusammenhang mit dem Bild: Im Mai 1978 besuchte Königin Elizabeth II. mit ihrem Mann Prinz Philip Bremen und Bremerhaven. Bei ihrem Empfang im Bremer Rathaus kamen die beiden auch an der "Klage Bremens" vorbei. Die Queen, die Ende des Zweiten Weltkriegs als Lkw-Fahrerin und Mechanikerin militärischen Hilfsdienst geleistet hatte, blieb vor dem Bild stehen, wartete bis ihr ihr Mann neben ihr stand und fragte ihn mit Blick auf die Flugzeuge: "Philip, aren't that 'Light-nings'?" – tatsächlich hatte Radziwill, der sein Leben lang luftfahrt-begeistert war und öfter Flugzeuge malte, einen Doppelrumpf-Typ wie den der Lockheed P-38 "Lightning" vor dem bedrohlich-unheil-vollen Himmel über Bremen dargestellt. Als ein weiteres Detail fällt rechts im Bild ein kleines, scheinbar von Trümmerschutt befreites Stück Fußboden auf – und wer schon mal im Neuen Rathaus war, erkennt in dem markant gewürfelten gelben und grünen Fliesenfeld ein Zitat des Bodenbelags in dessen Erdgeschoss.
Radziwill hatte 1944 zusammen mit seiner Mutter in einem Bunker der Bauweise, wie er sie rechts im Bild malte, einen großen Luftangriff auf Bremen erlebt. Und wie die Mehrzahl aller Bremer:innen kannte auch er genau den Anblick aufgerissener Häuser und Keller, aus denen die Bewohner:innen mitunter völlig unversehrten Hausrat bergen konnten. In der Hoffnung, sie irgendwie weiter retten zu können, stellten sie ihre Habe zunächst an die Straße, wo die einzelnen Stücke daraus vor den zerstörten Häusern ein traurig-befremdliches Bild boten.
Siehe auch:
Wandelhalle
Gabriel von Seidl (1848–1913)
Erbauer des Neuen Rathauses (1909–1913)
Gemälde von Leo Samberger
lautet der gravierte Text des Messingschildes unter dem gold-gerahmten Porträt. Allein dessen prominente Hängung an der östlichen Wand auf der Oberen Wandelhalle zeigt, dass man in Bremen beim Bezug des neugeschaffenen Ensembles von Altem und Neuem Rathaus 1913 mit der Leistung des Architekten allgemein sehr zufrieden war. Und die Wertschätzung des Baus hat bis ins 21. Jahrhundert Bestand, nicht nur in Bremen: Als 2004 "Rathaus und Roland auf dem Marktplatz" zum kulturellen UNESCO- Welterbe erklärt wurden, bezog die Kommission das Neue Rathaus als Teil des Ensembles ausdrücklich mit ein.
Als gelernter Schlosser begann Seidl 1871 in seiner Heimatstadt München Architektur zu studieren und eröffnete dort 1878 zusammen mit Rudolf Seitz ein Gestaltungsbüro. Seidl brach mit der herkömmlichen, an Antike und Renaissance ausgerichteten Baugestaltung seiner Zeit und bekannte sich zu einem auch "deutsche Renaissance" genannten neuen Stil. Er schuf von Gewerbebauten über repräsentative Schlossbauten, Museen und Kirchen bis zu Wohnhäusern ein breites Spektrum mit variantenreichen Gestaltungslösungen. 1900 wurde der gefeierte Architekt durch die Aufnahme in den bayerischen Verdienstorden als "Ritter von Seidl" in den persönlichen Adelsstand erhoben.
Nachdem 1903/04 ein erster von Bremen ausgeschriebener Entwurfswettbewerb für einen Erweiterungsbau des Alten Rathauses an Stelle des Stadthauses auf dem Domshof zu keinem Ersten Preis geführt hatte, wurde 1907/08 ein zweiter ausgelobt. Der Münchener gewann, wurde beauftragt und erhielt 1913 allgemein höchste Anerkennung für das fertige Werk, dessen veranschlagte Bausumme von 1,5 Millionen Mark er um knapp sieben Prozent unterschritten hatte.